Schon als Kind faszinierte mich die stumme Kathrin aus Berthold Brecht`s „Mutter Courage“. Kathrin hört zufällig eine Unterhaltung mit, in der von einem Überfall auf das Lager die Rede ist, in dem sie sich mit ihrer Mutter und dem Marketenderkarren aufhält. Es handelt sich um einen nächtlichen Überraschungsangriff der Feinde und die Chancen, dass jemand ihn überlebt, stehen schlecht. Anstatt sich mit ihrer Mutter und dem Händlerkarren aus dem Staub zu machen, tut Kathrin folgendes: Sie besorgt sich eine Trommel, setzt sich auf einen Hügel und beginnt, das Instrument zu schlagen. Damit weckt sie nach und nach das gesamte Lager auf. Allerdings weckt sie auch die Aufmerksamkeit des Gegners: Kathrin wird von den feindlichen Truppen erschossen. Ihre selbst auferlegte Mission ist dennoch geglückt, der Überraschungsangriff bei Nacht ist vereitelt, das Lager überlebt.
Ob Kathrin eine hochsensible Person, also ein Indigo, war, ist nicht bekannt. Aber mit Sicherheit war die Figur der Kathrin eines nicht: ein Chilisk. Diese Tat bringt der Romanfigur keinerlei Gewinn. Kathrin stellt das Gemeinwohl (Überleben des Lagers) über ihr eigenes Wohl. Eine Verhaltensweise, die schon in der Steinzeit das Überleben eines Clans sicherte. Die heutige neoliberale Gesellschaft unterstützt das genau entgegengesetzte Verhalten. Heute strebt jeder danach, sein eigenes Wohl über das der Allgemeinheit zu stellen. Da kann eine Figur wie Brechts stumme Kathrin allenfalls belächelt werden. „Schön blöd“, denkt sich der Chilisk. In seinen Augen handelt die Romanfigur irrational. Falls er überhaupt einen Gedanken an solch eine Figur verschwendet. Chilisken denken in der Regel nicht über etwas nach, das ihnen keinen Vorteil bringt. Außer vielleicht, wenn just die stumme Kathrin Bestandteil ihrer Abituraufgabe ist, ohne das sie nun einmal das Jura- oder BWL-Studium nicht beginnen können.
Der Altruismus ist den Indigos angeboren. Ich erinnere mich, wie ich bei meinem ersten Köln-Besuch einer Gruppe von Straßenmusikern in einer belebten Einkaufsstraße zuhörte. Einer von ihnen spielte Geige, ein Instrument, das ich liebe. Plötzlich tauchte ein Mannschaftswagen der Polizei in der Fußgängerzone auf. Polizisten sprangen heraus, um die Musiker festzunehmen. Sofort spürte ich den Impuls, die Musiker, die ich zuvor nie gesehen hatte, beschützen zu müssen, da sie ja erkennbar nichts Böses taten. „Bildet eine Menschenkette“, rief ich und ergriff die Hände der Passanten, die links und rechts von mir standen. Es gelang mir tatsächlich. Einander wildfremde Menschen hielten sich an den Händen und bildeten einen Kreis um die Musiker. Die Polizisten blieben unschlüssig stehen und verwickelten sich in Diskussionen mit den Zuhörern. Ich vereinte dann die Hände der Personen links und rechts von mir und zog mich aus dem Kreis zurück. Meine Aufgabe war damit erledigt. Erst viel später erfuhr ich, dass Straßenmusiker in dieser Einkaufspassage nicht länger als 30 Minuten am Stück spielen durften, um die Passanten nicht vom Einkaufen abzuhalten. Der geigende Musiker mit seiner Truppe hatte diese Zeitspanne wohl schon öfter überschritten. Ich handelte damals aus einem inneren Impuls heraus: Schwächere im Moment drohender Gefahr schützen ohne Rücksicht auf die eigene Person. Da hochsensible Personen ursprünglich von der Evolution zum Schutz ihrer Art vorgesehen waren (auch bei Tieren sind 20% jeder Art hochsensibel), macht dieses Verhalten durchaus Sinn. Auch Einzelpersonen zu helfen, lag mir sozusagen im Blut und versetzte meine Umwelt nicht selten in Erstaunen. Ich erinnere mich an eine Frau, die an der Kasse einer Diskothek am Boden lag und der ich auf die Beine half. Das sei aber selten, meinte sie, normalerweise würden die Leute ja eher noch drauf treten, wenn jemand am Boden läge.
Was passiert nun, wenn ein solch altruistischer Indigo auf einen Chilisken trifft? Dazu mehr im nächsten Beitrag:-)